Gourmetbier, was soll das denn sein? Naja, das ist gar nicht so einfach zu erklären. Hauptsächlich weil ich mir den Begriff ausgedacht habe, um eine bestimmte Art von Bieren zusammenzufassen und zu beschreiben. Dazu gleich mehr.
Thema: Gourmetbier
Autor: Oli
Bier beim Schreiben getrunken: Amacord/Brooklyn Brewery – Riserva Speciale
Tag des deutschen Bieres
Denn eigentlich dreht sich in der Online-Bier-Bubble heute alles um den „Tag des Deutschen Bieres“. Deutschland feiert am 23. April die Unterzeichnung des berühmten Reinheitsgebotes. Das ist auch nur halb richtig, denn nicht jeder deutsche Brauer hat auch tatsächlich Freude an dieser Einschränkung. Oder wie ich es eigentlich seit jeher nenne: „Der älteste Marketing-Gag der Bierbranche“. In Österreich lassen wir übrigens zum Brausilvester am 30. September die Kierkapseln knallen.
Das Reinheitsgebot
Reinheitsgebot, ihr wisst schon: Willehlm IV; 1516; nur Wasser, Gerste(nmalz), Hopfen und später dann auch Hefe dürfen ins Bier. Die Idee vom reinen Bier hat den deutschen Brauern und ihren Bieren auf jeden Fall viel positive Werbung gebracht. Und das ist auch gut so.
Marketing-Gag, weil mit dem Begriff allerdings viel Schindluder betrieben wird. Da der klassische Biertrinker leider wenig Ahnung hat, von dem was er da trinkt, kommt er schnell durcheinander. Denn Menschen vergleichen gerne. Wenn das eine Bier „rein“ ist, was ist dann das andere? Richtig. Vom Kunststoffgranulat Polyvinylpolypyrrolidon, alias PVPP oder Farbebier in ihren Bieren sprechen die Verfechter des Reinheitsgebotes nämlich eher selten. Eigentlich gar nie.
Aber am besten ihr schaut euch das „Propagandavideo“ vom Deutschen Brauerbund mal etwas kritischer an, dann versteht ihr vielleicht was ich meine.
Ein Bier für den Spielplatz
Irgendwie schlägt sich aus diesem aktuellen Thema auch die Brücke zum eigentlichen Thema. Denn unter dem frei erfundenen Begriff „Gourmetbier“ versteckt sich ein Trend in der Bierbranche, den Traditionalisten gar nicht gerne sehen. Immer mehr Kleinbrauereien, Craftbrauer und Gipsybrewer (oder wie man sie auch nennen will) bringen extreme Biere in besonderen Aufmachungen auf den Markt. Zumeist, aber nicht immer handelt es sich dabei um IPAs, NEIPAs, stark gehopfte Pale Ales oder auch Sours. Diese Hopfenbomben sind auch passend verpackt. Quasi als Trägermedium hat sich die quietschbunte 0,44l-Dose durchgesetzt. Den Designs sind keine Grenzen gesetzt. Vorteil: Sie stechen im Laden schnell ins Auge, outen Jungeltern auf Kinderspielplätzen nicht als Trinker (Kleiner Tipp!). Insgesamt eine schöne Sache. Oder wie es Beavertown-Braumeister Nikola Marjanovic einst passend formulierte: „Beautiful inside and on the outside“.
Hohe Preise dank Verknappung
Vielleicht erklärt sich durch diese Beschreibung auch, wie ich auf den Namen „Gourmetbier“ gekommen bin. Kleine und extravagante Gebinde, extremer Inhalt. Was da noch fehlt, ist der teilweise exorbitante Preis. Selten geht so eine Dose nämlich unter 6 Euro über den Ladentisch. Trotzdem gibt es genügend Abnehmer. Das liegt einerseits daran, dass die Bierfreaks und Kenner Inhalt und Arbeit zu schätzen wissen. Auf der anderen Seite zieht das Marketing-Tool „Verknappung“ die Craftbeer-Jünger wie Motten an. Die speziellen Biere sind meist sogenannte „One-offs“. Also Batches, die nur einmal gebraut werden und so die Jäger und Sammler umso mehr anzieht.
Das spaltet die Szene
Endlich ansprechende Preise und Aufmerksamkeit für Brauer und Produkt. Das ist es doch, was Brauereien seit jeher fordern. Dennoch ist die Szene nicht vollends glücklich mit diesem Trend. Biersommeliers beklagen die enorme Flut an neuen Sorten, die beinahe wöchentlich auf die Konsumenten niederprasselt. „Wer soll sich da noch auskennen?“ Brauereien bekritteln die One-Offs, weil sie meinen, dass damit Kunden gezüchtet werden, die immer Neues haben wollen.
Dazu sollte sich jeder seine eigene Meinung bilden. Hat doch auch jeder seinen individuellen Background.
Gourmetbiere sind Nischenprodukte
Hier mein Standpunkt: Sicherlich bedienen Gourmetbiere ein bestimmtes Clientele, das sich die Brauer oder Brauerei-Projekte allerdings auch selbst aufgebaut haben. Zwischen Großkonzernen, Mittelständlern und klassischer Gasthausbrauerei blieb ja auch wenig Platz. Warum also jemanden dafür verteufeln, dass er einen Markt für sich gefunden hat? Eben! Oder wie es einer der Gründer von Sudden Death Brewing, Olli Schmökel so gerne betont: „Nur Nische, wir machen nur extremes Zeug“. Und damit fahren seine und einige andere Brauereien in Deutschland mittlerweile ganz gut. Damit wirbt er sicher nicht den typischen Kasten-Pils-Käufer vom Mittelständler ab.
Aus meiner Sicht befruchten die vielen One-offs sogar die Klassiker anderer Brauereien. Weil man nicht immer Bock auf ein Hazy IPA hat und zum Schweinsbraten ein Märzen einfach besser passt. Außerdem sind die Klassiker immer zu haben. Irgendwann geht der Trend vermutlich auch ins Geld.
Und nun?
Ich erspare euch und mir selbst einen Ausblick, wie es denn weitergehen und wie lange dieser Trend anhalten wird. Jeder kann sich damit anfreunden, oder auch nicht. Leben und leben lassen, wäre vielleicht ein treffender Spruch dazu. Gespannt bin ich nur, ob sich der Begriff „Gourmetbier“ vielleicht sogar durchsetzen wird.