Oliver Klamminger ist Biersommelier Staatsmeister 2024
… oder: Road to the 1. Place!
Mittlerweile sind einige Tage vergangen, seit dem Erreichen des Biersommelier Staatsmeistertitels bei der Meisterschaft in der Linzer Brauerei und ich hatte Zeit, das ganze mal zu reflektieren. Darum möchte ich euch gerne auf die Reise mitnehmen und alles nochmal revue passieren lassen.
Vorbereitung ist Alles…
… wenn die Zeit reicht! Im Idealfall bereitet man sich auf so eine Staatsmeisterschaft über eine längere Zeit hinweg vor. Zumindest wäre das aus meiner Sicht die sinnvollste Herangehensweise. Und so hab ich sehr motiviert schon vor Wochen verschiedene gute Biere, die als Referenz für ihren Stil stehen, eingekühlt. Meine Frau sollte mir dann regelmäßig abends „blind“ die Verkostungsbiere reichen. Hört sich gut und einfach an, wurde aber nix. Ich glaub, dass sich insgesamt nicht mehr als drei Proben ausgegangen sind. Und die waren allesamt von der Schönramer Brauerei, in der ich seit Oktober 2023 tätig bin. Der Trainingseffekt hielt sich somit in Grenzen, oder im Fußballchargon: Es war ein Elfer ohne Goalie.
Trainingsgruppe Ottakring
Weil ich in der Brauerei – wir eröffnen bald unseren Shop samt Tastingraum – im Mai mehr als gut eingespannt war und die wenige restliche Zeit meiner Familie widmen wollten, ging sich nicht mehr viel Vorbereitung aus. Glücklicherweise durfte ich mich der „Trainingsgruppe Ottakring“ anschließen, die von den Biersommelier-Kollegen Reini Feigl (Leopoldauer Brauhandwerk) und Sandra Runggatscher ins Leben gerufen wurde. So trafen wir uns eine Woche vor der Staatsmeisterschaft in Wien und kasernierten uns zwei Tage lang im Ottakringer-Shop ein – danke dafür Sandra!!! Es standen insgesamt acht Verkostungsrunden (jeweils 4x Bierstile & Off-Flavours) an. Ich brauche wohl nicht sagen, dass es nicht nur intensiv sondern auch durchaus amüsant war. Und im Endeffekt auch sehr effektiv. Mit Johannes Keller, Franz Jirovec, Reini und mir schafften es vier von sechs ins Nationalteam. Mario Pessenlehner steht als Nachrücker parat und Uschi wäre normalerweise auch dabei gewesen. Great Success!
Am Mittwoch drauf startete dann endlich mein Urlaub und ich hatte erstmals Zeit mich auf die Staatsmeisterschaft zu fokussieren – natürlich erst, nachdem ich unsere Tochter ins Bett gebracht habe. Also ab Mittwoch 20:15! Immerhin. Aus Zeitmangel hab ich mir dann gleich 17 (!) verschiedene Bierstile inklusive selbstgebastelter Off-Flavours einschenken lassen. Trefferquote lag übrigens bei 14/17. Damit konnte die Staatsmeisterschaft kommen.
Reini, das wandelnde Beruhigungsmittel
Schon bei der Anreise im Zug war ich extrem angespannt und hab mir 1.000 Sachen und Ideen für eine mögliche Halb- bzw. Finalteilnahme überlegt. Gechillter war ich erst, als mich Reini am Linzer Bahnhof abgeholt hat. Der Kerl hat irgendwie eine beruhigende Wirkung auf mich – hat schon bei der WM 2022 in München funktioniert.
Wer erkennt alle 10 Bierstile und Fehlaromen?
Vor Ort dann das übliche „Hallo“ und die Freude alte Bekannte aus der österreichischen Biersommelier-Szene wieder zu treffen. Schade, dass einige sehr gute Leute nicht mehr mitmachen woll(t)en. Nach den eröffnenden Reden ging’s dann mit den Bierstilen los. Zehn verschiedene mussten erkannt werden. Einige fielen mir leicht, andere wiederum waren tatsächlich sehr knifflig – typisch Jens Luckart eben 😉 Am Ende hatte ich 7/10 richtig. Besonders tricky war mal wieder der Zipfer Stefanibock, der immer extrem schlank rüberkommt und das Golser Kastanienbier.
Besser ging’s mir in der nächsten Runde bei den Fehlaromen (Off-Flavours). Dachte ich zumindest und glaubte, dass ich mindestens 9/10 richtig hätte. Denkste! Denn ein dummer Flüchtigkeitsfehler und Karamell (fast alle tippten dabei, wie ich, auf Mandel) kosteten mir wertvolle Punkte. Apropos wertvoll…der anschließende Single-Choice-Test mit Fragen zur österreichischen Bierlandschaft war absolut wertlos. Glücklicherweise wurde er nur bei Punktegleichstand herangezogen. Der Vollständigkeit halber: Ich hatte beim lustigen Ratespiel 4/10 richtig.
Glücklicherweise reichte die magere Ausbeute für die Top10 und somit die Qualifikation fürs Nationalteam.
Das Halbfinal-Duell: Mann gegen Mann
Somit standen die Halbfinalisten fest, die sich im 1-gegen-1um das Finalticket duellieren mussten. Die Aufgabe: Beschreibe und erkenne den Bierstil, ohne jegliche Hinweise. Ich musste gegen meinen Freund Karl Zuser jun. ran und durfte das Halbfinale eröffnen. Zusammengefasst: Ich habe aufgrund der Farbe, des Hopfenprofils und des üppigen Schaums auf ein klassisches englisches Pale Ale getippt, Karl auf ein IPA. Tatsächlich war es das AAA Amber Ale vom Brauhaus Gusswerk. Wer weiterkommen sollte, haben die verbliebenen Teilnehmer per Handzeichen entschieden. Wie ich im Nachhinein erfahren habe, konnte ich das Duell gewinnen, aber glücklicherweise kam Karl als „Lucky Zuser“ ebenfalls weiter. Die Finalisten standen somit fest, nur die Reihenfolge musste noch gelost werden:
- Karl Zuser
- Klemens Kainradl
- ich
- Martin Seidl
- Julian Selinger
- Uschi Huber
Ein Wegbier mit Folgen
Da wir knapp zwei Stunden Zeit hatten bis zum Finale, hab ich erstmal im Hotel eingecheckt und mich halbwegs serös gekleidet. Mein T-Shirt hat die Anspannung vom Vormittag nur knapp überlebt und musste weg. Apropos Weg: Beim Rückweg vom Hotel in die Tabakfabrik habe ich die Kollegen der Schlägl Brauerei getroffen, die sich noch mit Wegbier eingedeckt haben. Braumeisterin Karin hat mir freundlicherweise einen Schluck kredenzt – es war ein Pale Ale von Bevog, das „Tak“. Das sollte noch wichtig werden.
Zurück in der Brauerei saßen schon fast alle bei einem Bier in der Liesl – das klang nach dem bisherigen Tag und der Lauferei vernünftig. Mit dem Geplauder und dem Bier hat sich auch jegliche Nervosität verabschiedet und ich war richtig locker und habe jede Sekunde genossen. Besonders die internen Blödeleien der Finalisten im Backstage.
Das große Finale
Auf der Bühne habe ich erstmal versucht das eh schon motivierte Publikum noch ein wenig zu pushen und zum Jubeln motiviert. Auch das ist Job eines Biersommeliers. Als ich dann mit dem „Tak“ von Bevog mein Finalbier gesehen hab, stieg auch bei mir nochmal die Motivation. Ich habe ich die interessante Geschichte der steirischen Brauerei und die des Bierstils schon unzählige Male erzählt. Dabei wollte ich aber nie in starre Muster verfallen und hab mich durch diverse Sager selbst immer wieder bewusst in neue Bahnen gelenkt. Nichts ist so langweilig wie immer die gleiche Kassette monoton abzuspielen … denn das spüren besonders Jury und Publikum. Das ist mir aus meiner Zeit beim Radio noch sehr gut in Erinnerung. Eigentlich wollte ich ja noch eine Musik-Empfehlung abgeben, aber die hätte den Rahmen gesprengt. Gut so, da ich eh dazu neige, zu viel zu reden. Stattdessen habe ich Location und Atmosphäre mit dem Foodpairing verbunden. So haben wir die große gedankliche Reise bei Bevog in der Steiermark begonnen, sind zu den Ursprüngen des Pale Ales nach England, um dann mit einem Burger an der kalifornischen Küste das Tak zu genießen. Das alles war in der Form niemals so geplant, sondern hat sich einfach ergeben. Glücklicherweise hat der Jury der gespannte Bogen gefallen! Und offenbar habe ich die Experten mit meiner Geschichte auch so gefesselt, dass sie gar nicht bemerkt haben, dass ich niemals den Namen des Bieres erwähnt habe. Whoops!
Sieg und Verlust liegen oft nah beisammen
Was nach bzw. bei der Siegerehrung geschehen ist, kann ich gar nicht mehr genau wiedergeben. Da wirkt alles ein wenig verschwommen – und das liegt gar nicht nur am Bier, das danach noch reichlich geflossen ist. Erst mitten in der Nacht, zurück im Hotelzimmer ist mir plötzlich etwas klar geworden: Ich habe mein Handy im Uber liegen lassen! Trotzdem bin ich dann am Samstag wieder in die Linzer Brauerei, da ich ja zwei Tage lang Juror bei der großartigen Austrian Beer Challenge der BierIG war. Dort hat sich die Geschichte vom neuen Staatsmeister, der sein Telefon verloren hat, relativ schnell verbreitet – die Anteilnahme war fast so groß, wie die Wertschätzung der Juroren-Kollegen für meinen Erfolg. Vielen Dank! Darum hab ich mir die Stimmung auch nicht verderben lassen. Und am Ende habe ich mein Telefon, dank des netten Uber-Fahrers und Klaus‘ Unterstützung, ja wiederbekommen. Ende gut, alles gut!
Weltmeisterschaft, wir kommen!
Jetzt geht’s erstmal in den Familienurlaub nach Griechenland. Darauf freue ich mich schon, verpasse dadurch aber leider auch den ersten offiziellen Auftritt als Staatsmeister. Unser großartiges Nationalteam darf nämlich das Wiener Bierfest feierlich eröffnen. Aber ich bin mir sicher, dass meine Kollegen und Kollegin Uschi das perfekt hinbekommen werden.
Mit dieser genialen Truppe und viel Enthusiasmus geht’s dann nächstes Jahr im September zur WM nach München. Dort möchte ich auf jeden Fall meinen Finaleinzug von WM 2022 bestätigen, nur den 4. Platz ein wenig verbessern. Zeit zum Trainieren bleibt ja genug – diesmal hoffentlich wirklich.
PS. Die Brauerei Bevog hat irgendwie mitbekommen, dass ich mit und dank ihres Bieres Staatsmeister geworden bin und hat mich kurzerhand eingeladen. Sehr cool!